Zeitungsartikel Rhein Neckar Zeitung

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Rhein Neckar Zeitung schrieb am 10.08.23:

Weinheim/Heddesheim. Sylvie Katzenmayer und Eckard Kirsch vom Verein "Inclusives" sind überzeugt: "Unter Menschen mit Handicap gibt es Mega-Talente, die gesehen werden sollten. Aber viele trauen sich nicht, sich öffentlich zu zeigen." Der Verein möchte Brücken bauen.

Sylvie Katzenmayer, selbst Sängerin, hat die Begabung, Menschen mit Behinderung zu ermutigen. Sie und ihr Lebensgefährte Eckard wissen aus Erfahrung, dass sich das Leben von einem Moment auf den anderen verändern kann. "Doch mit Liebe und Geduld können neue Ideen und Projekte entstehen", sagt Katzenmayer.

Wer das schmerzverzerrte Gesicht von Sylvie nicht gesehen hat, der mag ihr die Berichte von Clusterkopfschmerzen nicht glauben. Seit ihrem Unfall wird die 60 Jahre alte Weinheimerin von extremen Schmerzen attackiert. Sie sagt: "Cluster-Kopfschmerz sieht man den Betroffenen normalerweise als Behinderung nicht an. Oft müssen sie sich mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass sie simulieren." Sie ist im Odenwald in Nieder-Liebersbach aufgewachsen.

Sie gehörte zu den ersten Mädchen, die in der Kirche Messdiener-Aufgaben übernahmen. "Wir haben mit dem Seil die Glocken geläutet und sind dann aus der Höhe abgesprungen", erzählt sie lachend. Die junge Akrobatin und Ballett-Tänzerin wurde bald für die Fastnacht von Nieder-Liebersbach, die "Liewerschbescher Riewelescher", entdeckt. Die Teilnahme an Meisterschaften der Sportakrobatik führte sie unter anderem nach Bulgarien.

Sie machte eine Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachkraft und arbeitete unter anderem in der HNO-Klinik in Mannheim. Ihr gelang der Spagat zwischen Beruf und Show-Business: Sie ging mit Schlagersänger Tony Marshall als Background-Sängerin auf Tournee, war mit Eiskunstläufer Hans-Jürgen Bäumler als Assistentin in Fernsehshows zu sehen und im Management von Sänger Jürgen Drews tätig.

Im Jahr 2005 kam ein 86-jähriger Autofahrer mit seinem Fahrzeug vom Parkplatz ab, weil sich die Fußmatte im Gaspedal verfangen hatte. Mit seinem Auto drückte er Sylvie Katzenmayer in die Scheibe eines großen Warenhauses. Für die dynamische Frau folgte eine Leidenszeit mit einer Operation nach der anderen. Erst 2009 wurden ihre unerträglichen Schmerzen als Cluster-Schmerz diagnostiziert.

Allmählich fand sie ins Leben zurück, gründete ihre Band und entwickelte eigene künstlerische Konzepte. In Weinheim trat sie in Restaurants auf. Es war ihr ein Anliegen, Menschen aller Art zu verbinden, und so startete sie in ihrem Garten Jam Sessions mit "Menschen mit und ohne Handicap". Damit war die Idee für den Verein "Inclusives" geboren.

Ihr Lebensgefährte Eckard Kirsch ist in Heddesheim aufgewachsen. Kurz nach dem Abschluss seiner Ausbildung zum Bankkaufmann erlebte er mit 20 Jahren einen Unfall. Er weiß das Datum genau: 11. Juni 1982. In Heidelberg nahe der Alten Brücke wendete ein junger Pkw-Fahrer sein Fahrzeug mitten auf der Straße – und Eckard fuhr mit dem Motorrad in die Seite des Fahrzeugs. Glück im Unglück: Der folgende Autofahrer und ein Passant waren Ärzte. Wegen des Verdachts auf eine schwere Verletzung der Wirbelsäule bewegten sie den Verletzten kaum.

Kirsch wurde in der Heidelberger Chirurgie erstversorgt und war anschließend mehr als fünf Monate in der Schlierbacher Orthopädie. Sein Kopf wurde mit Stäben fixiert, um ihn ruhig zu halten. Nur über einen Spiegel konnte er seine Besucher sehen. Und der frühere Leistungssportler bemerkte auch den drastischen Abbau seiner Muskeln. So trainierte er trotz seiner extremen Einschränkungen heimlich nachts mit Hanteln.

Mit Willenskraft und Disziplin kämpfte sich Eckard Kirsch ins Leben zurück. Als er ein Jahr später mit seinen Brüdern und Freunden einen Urlaub in Italien verbrachte, gewann er neuen Lebensmut. Dann nahm er seine Arbeit in einem Heidelberger Kreditinstitut wieder auf. Doch als Mitarbeiter mit Handicap erhielt er nur einfachste Aufgaben, die ihn unterforderten. Schließlich kündigte er, um sich neu zu orientieren.

Er entdeckte das Rollstuhl-Tennis und spielte bald auf Turnieren weltweit, unter anderem bei den French Open in Paris, bei den Dutch Open oder in Israel und Japan. In den USA spielte er zum Beispiel in San Francisco, Houston, Dallas oder bei den US Open in Los Angeles und Hawaii. Später gründete er mit zwei Partnern das Unternehmen "Rehability" für Reha-Bedarf.

Zum Verein "Inclusives" sagt er: "Wir wollen Menschen mit Handicap durch Betonung ihrer persönlichen Stärken fördern. Musik und Kunst stehen ganz oben." Dazu gehören inklusive Konzerte, beispielsweise mit dem blinden türkischen blinden Tarik Sarzep, der beim Wettbewerb "Deutschland sucht den Superstar" dabei war.

Bei Konzerten in wechselnder Besetzung waren inklusive Gruppen zum Beispiel auf dem Maimarkt oder in Köln im Vorprogramm von Chris de Burgh zu hören. Nun, nach der Corona-Pause, möchte der Verein wieder durchstarten. "Neue Mitglieder, Sponsoren und Förderer sind willkommen. Wir suchen vor allem auch Menschen, die sich ehrenamtlich bei uns engagieren wollen", sagt Eckard Kirsch.


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